In aller Munde
Es ist in Duschgels und Shampoo, Peelings und auch Babycreme. Sogar in Bier und Milch, Fisch und Meersalz wurde es nachgewiesen. Die Rede ist von Mikroplastik, von Kunststoffteilchen, die kleiner als 5 Millimeter sind. Sie haben inzwischen alle Lebensräume in der Natur „erobert“ und sind am Ende sogar Teil unserer Nahrung. Ganz werden wir die winzigen Kunststoffteilchen in der Natur nicht wieder los , aber wir können dazu beitragen, dass davon weniger neu in die Umwelt gelangt. Damit wir aber handeln können, müssen wir verstehen, wie es entsteht.
Ein kleiner Teil des Mikroplastiks wird extra als winzig kleine Plastikteile produziert. Das landet dann unter anderem in diversen Kosmetikartikeln. Der weitaus größere Teil entsteht jedoch sekundär. Zum Beispiel wenn wir Kleidung aus Kunstofffasern, wie Polyester, Polyamid, Polyacryl und Nylon waschen. Bei jeder Wäsche lösen sich Fasern ab, die ins Wasser gelangen. Moderne Kläranlagen filtern zwar inzwischen bis zu 99% des Mikroplastiks aus dem Wasser heraus, aber es bleibt im Klärschlamm erhalten. Wird der Schlamm nicht thermisch verwertet, sondern als Dünger auf die Felder gebracht, kommen die winzigen Kunststoffe über diesen Weg in die Umwelt. Gelangt Plastik in die Gewässer, wird es durch die UV-Strahlung porös und zerfällt durch mechanische Einflüsse zu immer kleineren Bruchstücken.
Was ist nun so schlimm an Mikroplastik in der Natur? Gelangt Plastik in Gewässer, werden chemische Substanzen, wie Weichmacher, herausgelöst. Gleichzeitig werden Umweltgifte, wie Pestizide, magisch angezogen. Je kleiner das Mikroplastik ist, desto wahrscheinlicher verwechseln Muscheln, Würmer oder Fische die Partikel mit Nahrung oder nehmen sie passiv durch Filtration auf und mit ihm auch die Gifte.
Bei Miesmuscheln hat man entdeckt, dass das aufgenommene Mikroplastik Entzündungen hervorruft. Bei Wattwürmern konnte man beobachten, dass Mikroplastik länger im Verdauungstrakt bleibt als der Strandsand. Wenn es in größeren Mengen aufgenommen wird, behindert es so die Nahrungsaufnahmen. Verschlucken Seevögel und Meerestiere scharfkantige Plastikteile, kann der Magen-Darm-Trakt verletzt werden. In der Regel verstopft das Material aber ohnehin alles und die Tiere verhungern mit vollem Magen. Oder sie geben das Plastik, mitsamt der aufgenommenen Giftstoffe, in der Nahrungskette an andere Tiere oder uns Menschen weiter. Bei bodenbewohnenden Tieren, wie Regenwürmern, scheint Mikroplastik die Fortpflanzung und den Stoffwechsel zu beeinträchtigen. Die Auswirkungen auf den bakteriellen Bereich im Boden sind ebenfalls noch gar nicht richtig erforscht. Man hat aber nachgewiesen, dass die Plastikteile, die den Nano-Bereich erreicht, also so winzig klein, dass sie selbst für das bloße Auge nicht mehr sichtbar sind, Zellwände durchdringen können. Sie landen dann also auch über die Pflanzen in unserer Nahrungskette.
Was kann nun jeder Einzelne von uns tun, um den Eintrag von Mikroplastik in unsere Umwelt zu verringern? Es gibt leider kein Patentrezept. Die Einsparung von Plastik generell, besonders im Bereich Verpackung ist sinnvoll. Einen Teil unseres Verpackungsmülls exportiert Deutschland nämlich in Staaten, die dafür keine geschlossenen Verwertungskreisläufe haben. Nicht selten landet unser Plastikmüll dort direkt in der Natur. Für Kleidung mit Kunststoffanteilen gibt es spezielle Wäschesäcke, die alle kleinen Fasern auffangen. Beim Neukauf könnten Sie Kleidung aus Naturfasern bevorzugen. Lassen Sie auf jeden Fall die Finger von Kosmetik die polymeren Bestandteile enthält. Diese erkennen Sie an den Substanzbezeichnungen. Kommen die Buchstabenfolgen "poly" oder Kunststoffakronyme wie "PE", "PP" usw. vor, dann greifen Sie lieber zu einem anderen Produkt.
Mikroplastik im Boden
"Zwar gibt es erste Untersuchungen, was im Boden passiert, das Problem ist aber, dass wir ungefähr 20 verschiedene Plastiksorten im Boden haben. Diese dann auch noch in verschiedenen Mischungen und Formen: als Fasern, als Kügelchen, als Pulver bis hin zu Nanoplastik, das so winzig ist, dass es in die Zellen eindringen kann."
"Die Gefahr besteht darinm dass wir nicht in der Lage sind ganau vorauszusagen, was (mit dem Mikroplastik im Boden) passiert. Wir sehen in Experimenten Effekte, wo sich Mikroplastik negativ und manchmal positif auf einzelne Organismen auswirkt. Aber wir haben kaum Möglichkeiten zu analysieren, welche Plastikarten in der Natur welche Auswirkungen haben und woher sie stammen.
Fakt ist, das kein Lebewesen dem Mikroplasik entkommen kann, ob am Südpol, am Nordpol oder sonst wo. Es gibt keinen Flecken auf der Erde, der vom Mikroplastik verschont bleibt."
"Wir können nur versuchen, die Quellen möglichst schnell wieder los zu werden. Ich sage nicht, nehmt wieder Holzräder für Autos. So einfach wird es nicht getan. Da ist auch die Forschung, da sind Ingenieure gefragt. Man muss Lösungen entwickeln, die im Moment vielleicht noch gar nicht auf der Hand liegen."
Prof. Dr. Werner Koas | Prof. für Endokrinologie an der HU Berlin
Aus dem Interview "Mikroplastik in aller Munde" | SlowFood-Magazin 3/2019
Mikroplastik im Wasser
"Fast alle Meeresbewohner vom Wahl bis zum Zooplanton fressen Kunststoffteilchen. Die sind häufig giftig. Bei der Produktion von Plastik werden einigen zum Beispiel Weichmacher beigemischt. Die können dazu führen, das Tierpopulationen verweiblichen und so die Fortpflanzung gefährden. Im Wasser sammeln sich aber auch andere Giftstoffen auf den Kuststoffteilen. Und wenn diese etwa von Fischen gefressen werdend die später auf unserem Teller landen, erreicht der Kuststoff mit diesen Stoffen auch den menschlichen Magen."
Mikroplastik im Eis und Regen
"... wir haben hohe Mengen von Mikroplastik in artischem, aber auch deutschem Schnee gefunden. ... Wenn man davon ausgeht, dass wir Mikropastik im SChnee gefunden haben, dann muss es vorher in den Wolken gewesen sein."
Melanie Bergmann | Meeresbiologin
Aus dem Interview "In der Arktis schneit es Mikroplastik" | Trennt-Maganzin Nr .16
Abkürzungen für Kunststoffe
PE = Polyethylen
PP = Polypropylen
PET = Polyethylenterephthalat
Nylon-12 = Nylon-12
Nylon-6 = Nylon-6
PUR = Polyurethan
AC = Acrylates Copolymer
ACS = Acrylates Crosspolymer
PA = Polyacrylat
PMMA = Polymethylmethacrylat
PS = Polystyren
PQ = Polyquaternium